Hallöchen meine lieben Blogleser
Habe euch eine Geschichte geschrieben, die sich einem bestimmten Thema widmet. Bulimie.
Lest einfach selbst. Über Resonanz hierzu würde ich mich natürlich freuen.
Bild von Pixabay in Public Domain. http://pixabay.com/
Habe euch eine Geschichte geschrieben, die sich einem bestimmten Thema widmet. Bulimie.
Lest einfach selbst. Über Resonanz hierzu würde ich mich natürlich freuen.
Bild von Pixabay in Public Domain. http://pixabay.com/
The sexiest
drummer in the world
Liebe und Zuwendung heilen die Seele und
den Körper
Für Julia ist es ein ganz banaler Tag, als
sie des Morgens aus tiefem Schlaf erwacht. Es sind die alltäglichen immer
wiederkehrenden Dinge, die ihr das Leben nicht wirklich versüßen. Seit dreißig
Jahren geht das schon so. Es fühlt sich innerlich wie ein Sterben an. Zudem
macht sich Eiseskälte, gepaart mit Gänsehaut, im gesamten Körper breit. Wie
gerne würde sie leben und ihre facettenreiche Gefühlswelt herauslassen. Es ist
ihr nicht möglich, da Julia mutterseelenallein ist. Verzweiflung macht sich in
diesem Moment vehement breit und will sie einfach nicht mehr loslassen. Julia kann
das nicht akzeptieren, muss es aber. Schon seit längerer Zeit hat sie sich
aufgegeben. Alles beginnt in ihrem Körper aufzubäumen und zu revoltieren. Das
Teufelchen hat sich schon auf ihrer Schulter einen warmen Platz gesucht. Es
wispert mit Fistelstimme ins Ohr. „Julia, befreie dich.“ „Du weißt doch, was zu
tun ist.“ Teufelchen grinst unverschämt. Dieser immer wiederkehrende Kampf
jeden Tag. Kampf gegen die Sucht. Julia kämpft ihn manchmal vergebens. Ihr
Körper zeigt inzwischen Narben auf der Seele und auch auf dem Körper. Ausgemergelt
und kraftlos liegt sie nur einfach da und kämpft. Innerlich. Tränen der
Machtlosigkeit rinnen ihr die Schläfen hinunter und durchnässen das Kopfkissen.
Jedoch ist die Sucht stärker. Julia windet
sich mit Mühen aus dem Bett und schwankt zum Bad. Irgendwo habe ich meinen
Vorrat an Gummibärchen versteckt, fragt sie sich. Lebensmittel hat Julia wohlweißlich
überall deponiert und nicht sichtbar untergebracht, damit sie nicht pausenlos
an diese denken muss. Inzwischen reden sie mit ihr. „Schau mal, wie toll wir aussehen.“
„esse uns.“ „Es wird dir gefallen.“ Das Rufen wird immer lauter und intensiver.
Jetzt gibt es kein Halten mehr. Ihr Körper beginnt heftig zu zittern. Da sie
die Gums nicht findet, schwankt Julia in die Küche und zum Kühlschrank. Nur
noch ein Schritt, und das Paradies öffnet sich. Der Kopf ist jetzt ausgeschaltet.
Ohne kauen wird alles hineingeschlungen. Verpackungen unkontrolliert aufgerissen
und ebenfalls der Inhalt vertilgt. Das Gefühl der Sättigung kennt Julia
schon lange nicht mehr. Der Frust lässt
dieses einfach nicht zu. Es vergehen zwanzig Minuten, als Julia übel wird, da
der Magen diese Mengen nicht fasst. Schnell zurück ins Bad und den Finger
mehrmals in den Hals gesteckt. Ein
Gemisch von undefinierbaren Lebensmitteln ergießt sich ins Klobecken. Eben nur
ein tägliches Frustritual.
Weitere dreißig Minuten vergehen, als Julia
versucht, sich kraftlos aufzurichten. Sie sinkt zu Boden und beginnt abermals
heftig zu weinen. Du musst damit aufhören, sagt ihr der Verstand. Jedoch ist Julia
meilenweit davon entfernt. Völlig in ihrer Welt eingeschlossen, ergibt sie sich
dem Schicksal. Einen guten Freund der ihr hilft, diese Sucht zu überwinden,
gibt es nicht. Wie sehr schreit ihr Körper eben nach diesem. Jeden gottverdammte
Tag. Was Julia jetzt noch nicht wissen kann, wartet schon am selben Abend in
einer Disco. ,,The sexiest drummer in the world,,.
Der Abend naht
Julia schleppt sich mit letzter Kraft in
ihr Bett. Wenigstens hier findet sie erst
einmal eine gewisse Ruhe vor der bösen Welt und schläft ein. Als sie irgendwann
am Nachmittag erwacht, kommt auch das Erinnerungsvermögen wieder. Du willst eigentlich
zu dieser Disco oder doch nicht, stellt sie sich die eigentlich unnütze Frage. Teufelchen
ist verschwunden und Engelchen nimmt den Platz ein. „Du solltest es unbedingt
machen, Julia“, spricht es mit zärtlicher, sanfter Stimme. „Vielleicht wartet dort
schon deine Erlösung aus der misslichen Lage.“ „Wenn du es nicht angehst,
vergibst du eine weitere Chance“, säuselt es weiter. Julia muss sich sehr
anstrengen, um aus ihrem warmen Bett zu kriechen. Nur mit sehr viel Mühe
gelingt es ihr ins Bad zu wanken. Erst einmal Zähne putzen, um den fauligen
Beigeschmack der morgendlichen Kotz Aktion zu beseitigen. Inzwischen haben sich
schon einige Zähne verabschiedet, und zeigen Lücken. Der Rest weist massiven
Zahnschmelz Verlust auf. Egal, denn das Lachen hat Julia bereits verlernt. Wozu
auch, und vor allem für wen?. Nur sehr langsam beginnt Julia sich ihre viel zu
weite Kleidung anzuziehen. Sie möchte verbergen, dass es eine böse Krankheit gibt,
die sie jeden Tag in Besitz nimmt. Ihre Haare sind strohig und glanzlos. Alles
an ihr ist inzwischen so kaputt und nicht mehr bereit, um ein erfülltes Leben auch
nur ansatzweise genießen zu können.
Mit allerletzter Kraft schleppt sich Julia
zur Disco. Gott sei Dank befindet sich diese nur um die Ecke. ,,Flow over,,.
Wie passend, denkt sie sich und kann sich ein gewisses Lächeln nicht
verkneifen. Der Türsteher sieht Julia misstrauisch an. „Julia, bist du es?“. „Was
ist los mit dir?“. „Bist du krank?“. Er kann nicht wissen, dass sie wirklich
krank ist. „Komm rein und bestelle dir erst einmal ein Getränk“. „Geht auf
meine Rechnung“. „Die Band hat ihre
Instrumente schon aufgebaut“. „Es müsste jeden Moment losgehen“. „Ach ja, ein
neuer Drummer hat sich dazugesellt“. „Ein ziemlich cooler Typ“. „So eine
Mischung aus…“ Günter schnippt mit dem Finger, weil er nicht auf die Namen kommt.
„Lass mal sein Günni“. „Du und dein Gedächtnis“. Julia kann sich ein Grinsen abringen.
„Ich möchte mir nur die Zeit vertreiben, sonst nichts“. „Natürlich, Julia“. „Wollen
doch alle hier, oder nicht?“. Günni lächelt mit einem breiten Grinsen über sein
fülliges Gesicht. Julia betritt endlich die Disco, in der bereits die Musiker
heftig auf ihre Instrumente eindreschen. Der ohrenbetäubende Lärm passt zu dem Lied,
einem Rock Song von den Scorpions. –Rock you like a Hurricane-. Passend zu den
jeweiligen Instrumenten leuchten auf der Tanzfläche bunte Lampen im Rhythmus dazu
auf. Blau für die Drums. Grün für die Leadgitarre. Rot für den Bass und Gelb
für den Synthi. Irgendwie sieht der Front Man dem Klaus Meine etwas ähnlich. Selbst
die Stimme ist fast authentisch. Mit einer Überzeugung, die eher an Selbstüberschätzung
grenzt, röhrt er ins Mikro. Was nutzt da die Stimme, wenn der Ton nicht
getroffen wird. Julia muss unweigerlich lachen.
Momentan ist sie einfach noch zu schwach,
um zu tanzen. Der nächste Tisch ist ihrer. Julia nimmt auf einen der drei
Stühle Platz und beäugt den neuen Drummer, der ebenfalls wie wild auf die gespannten
Felle einhämmert. Der scheint sein Instrument voll im Griff zu haben, denkt sie
sich. Da sitzt er nun hinter seinem Schlagzeug. Die Trommelstöcke wirft er hoch
und fängt sie wieder auf. Dreht den rechten über den Mittel- und Zeigefinger.
Immer und immer wieder dieselbe Prozedur. Das ist es, denkt sich Julia. Ein
leises wow kommt über ihre spröden Lippen. Sie nippt an ihrer scharfen -blutigen
Mary-. Jetzt fallen ihr die Namen ein, auf
die Günni nicht kam. Eine Mischung aus Falko und Depp. Die Klamotten von Falko
und die markanten, indianischen Gesichtszüge von Depp. Ein Gefühl von
Hingezogen sein macht sich in ihrem tiefsten Inneren breit. Mein Gott, wie soll
ich nur seine Aufmerksamkeit erregen, beginnt sich Julia zu fragen. Okay,
die Band wird auch eine Pause einlegen.
Genau bei diesem Gedanken hört die Musik
auf zu spielen. Die Mitglieder verbeugen sich kurz, um danach hinter der Bühne
zu verschwinden. Julia erhebt sich und
taumelt, noch immer etwas kraftlos, den Musikern über diese hinweg, hinterher. Dabei
stolpert sie über ein herumliegendes Musikteil und stürzt auf den harten Boden.
Die Beleuchtung ist miserabel und lässt kein richtiges Sehen zu. Sie fällt so
unglücklich, dass sich Julia den Kopf verletzt. Aus einer kleinen Wunde sickert
Blut, tropft auf den Boden und bildet kleine rote Sternchen. Sie wirken wie ein
Zeichen der Liebe. Kurz darauf verliert sie das Bewusstsein.
Die Pause ist beendet. Die Musiker wollen
über den halbdunklen Raum, zurück auf die Bühne kehren. Drummer Mike ist der
Erste, welcher Julia am Boden liegend erblickt. Ihr Kopf liegt inzwischen in
einer größer gewordenen Blutlache. Die Sternchen sind von ihr zugedeckt. Mike
reißt sich einen Fetzen Stoff aus seinem
geöffneten, weißen Hemd und drückt es auf die Wunde. „Steve, rufe sofort den
Krankenwagen“, schreit er ihn mit einem entsetzten Blick in den Augen an. Steve
kramt in seiner Hosentasche und kann sein Handy nicht finden, da er es zu Hause
liegengelassen hat. „Wenn man dich schon
einmal braucht“, wettert Mike. Wut schwingt in seiner Stimme mit. „Junge,
du kannst zwar erotisch deine Klampfe zupfen,
aber im Kopf ist nur Hohlraum“. „Dann
bewege deinen gottverdammten Arsch an die Bar“. „Johnny hat immer ein
voll geladenes Handy aufn Tresen liegen“. „Oder hast du das etwa auch vergessen?“.
„Menschenskind, du bist die größte Hohlbirne, die ich kenne“. Mike verdreht dabei
seine Augen, um seiner Stimmung mehr Ausdruck zu verleihen. Inzwischen hat Julias
Kopfverletzung aufgehört zu bluten. „Puh, Gott sei Dank. Die Blutung ist erst
einmal unter Kontrolle“. „Trotzdem solltest du den Krankenwagen rufen“. „Man
kann ja nie wissen, welche Verletzungen wirklich vorliegen“. „Hast du das jetzt
gecheckt?“, fragt er Steve, nun sichtlich ruhiger geworden. Mit gesenktem Kopf
gibt dieser nur ein gehauchtes „Ja“ von sich. In solchen Momenten kann er Mike
einfach nicht in die Augen blicken. Steve ist eben ein kleiner, schüchterner, vergesslicher,
in sich gekehrter Typ.
Mike bückt sich weiter hinunter, um Julias
Gesicht zu betrachten. Es ist grau, und die Wangen sind eingefallen. Obwohl
Julias Haare teilweise vom Blut getränkt sind, lassen sie dennoch ihre stumpfe,
braune Farbe durchschimmern. Er streicht ihr intuitiv zärtlich über das
ausgezehrte Gesicht. So als wollte er damit ausdrücken, du bist es Wert,
geliebt zu werden. Vorsichtig hebt er ihren leichten Körper vom kalten Boden
auf und trägt Julia zu einer Liege, die nur einige Meter entfernt zum Ausruhen
bereit steht. Mike will sie von ihrem Pullover befreien, der vom Blut
aufgesaugt, an ihr klebt. Erst jetzt macht sich das erschreckende Ausmaß ihrer
Sucht breit. Die Rippen als auch die Schlüsselbeine stehen stark hervor. In
Mikes Kopf läuft jetzt ein Film ab. Aus unlängst vergangener Zeit. Seine Schwester
war genau so dünn und abgemagert. Damals konnte er nicht wissen, dass sie unter
Fress- und Kotz Attacken litt. Erst später, als er sie ins Krankenhaus brachte, wurde die Diagnose
Bulimie gestellt. Immer wenn sie sich einsam fühlte, kompensierte sie eben mit
dieser. Jedoch war es für sie schon zu spät. Ihr gesamter Stoffwechsel hatte
aufgegeben. Der Körper gab einfach nichts mehr an Leben her. Trotz der
Schläuche durch ihre Nasenlöcher, über die ein flüssiges Nährmittel in ihren
Magen gepumpt wurde. An ihre Beerdigung kann sich Mike heute noch erinnern. Es
war Herbst, und der Regen prasselte auf ihren kleinen weißen Sarg. Die Vergangenheit
wird in diesem Moment zur Gegenwart. Vielleicht fehlt diesem jungen Mädchen nur
die Liebe und Zuwendung, die sich eigentlich jeder Mensch verdient hat?, fragt
sich Mike sofort.
Mike kann nicht wissen, dass er bereits
jetzt schon tiefe Zuneigung empfindet. Sein Herz beginnt zu sprechen. Er hat
schon einige Frauen in seinem Leben gehabt. Vielleicht viel zu viele. Es ging
immer nur um das eine. Purer Sex. Ohne Liebe und Empfindungen. Doch jetzt ist
alles irgendwie anders. Mike kann es nicht einordnen. Diese Art von Gefühl ist
ihm völlig fremd. Eine erotische Ausstrahlung hat Julias Körper nun wirklich
nicht. Vielleicht möchte er dieses Mädchen einfach nur vor dem bewahren, was
seiner Schwester wiederfahren ist?. Der Tod. Nein, es ist etwas anderes. In
diesem Mädchen steckt etwas, was ich nur in ihr wecken muss, denkt er sich. Die
Liebe heilt die Seele und den Körper. Hätte er damals die ersten Warnzeichen dieser
scheiß Krankheit nur ansatzweise wahrgenommen,
würde sie heute noch leben, und er könnte ihr fröhliches Lachen hören. Bianca hat sich Stück für Stück
zurückgezogen und abgeschottet. Für Gespräche hatte er einfach keine Zeit. Ab
und zu ließ sie durchblicken, dass sie einsam ist. Er ignorierte es. Wie immer.
Ein blutjunges Ding und einsam?. Kann mir keiner erzählen wollen. Die soll mal
aus sich herausgehen und Jungs aufreißen. Mike war schon immer ein harter Kerl,
der einfach keine Gefühle zuließ, obwohl sie tief in ihm schlummerten.
Aber mit diesem Mädchen auf der Liege vor
ihm war es anders. Mike würde sie am Liebsten in seine Arme nehmen und feste
drücken. Eine innere Stimme beginnt zu reden. Dann tue es doch, verdammt noch
mal. Wer hindert dich daran?. Warum zum Teufel noch mal denkst du noch so lange
darüber nach?. Sie ist dir bestimmt. Ihr Beide seid füreinander gemacht. In
diesem Moment kommt Julia langsam zu sich und öffnet zaghaft ihre braunen Augen.
Ihr Körper fühlt sich schlaff an und schmerzt. Sie blickt in die ebenfalls
braune Iris von Mike. Ein liebliches Lächeln huscht über sein Gesicht. Erst
jetzt begreift er die Situation und nimmt Julia in seine starken Arme. Eine
wohlige Wärme durchströmt ihren kranken Körper. Sie schlingt ihre dünnen
Ärmchen um seinen Hals und gibt ihrer Zuneigung Ausdruck, in dem sie Mike einen
lebensbejahenden Kuss auf den Mund drückt. „Danke“, war alles, was Julia sagen
konnte. Mehr Worte waren auch nicht nötig. Augen und Blicke sagen mehr als
Worte. Eine innige Liebe nimmt ihren Lauf.
Jahre später
Julia ist heute gesund und Mutter von zwei
Kindern. Sie hat Liebe bekommen und gibt
diese auf vielfältige Weise zurück. Kinderlachen erfüllt heute die gesamte
Wohnung der Beiden. Der Mensch ist einfach nicht fähig, ohne diese leben zu können.
Er existiert nur. Dümpelt inhaltsleer von einem Tag zum Nächsten. Ohne jedweden
Sinn und Gefühl für sich selbst, gibt er irgendwann einmal auf. Es gibt nur
wenige Menschen, die aus eigener Gesinnung heraus allein sein wollen. Einsiedler,
sogenannte Eremiten.
Mein Rat: achtet auf euer nächstes Umfeld.
Also die Familie. Reagiert sofort und kommuniziert über alle Probleme in
dieser. Das ist die beste Präventionsmaßnahme, die es gibt.
Diese Krankheit zieht sich durch alle Altersgruppen.
Jeden kann es eventuell einmal treffen. Dann ist man froh, wenn es jemanden gibt,
der auch zuhört. Zuhören und Hinsehen haben oberste Priorität.
© Marlies Hanelt
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